Mimi und das Stopp-Schild

Das Stopp-Schild "magnetete" schon seit einigen Jahren ganz oben am Türstock und war die Idee einer Kollegin, mit der ich damals zusammenarbeitete und deren pädagogisches Geschick ich sehr schätzte.

Das Stopp-Schild genießt bei den Kindern großen Respekt. Jedes Kind besitzt ein Magnetzeichen, das ihm erlaubt, verschiedene Spielbereiche oder Außenbereiche zu besuchen. Klebt das Magnetzeichen eines Kindes beim Stopp-Schild, fallen für dieses Kind mehrere Spiel-und Betätigungsfelder weg.

Wir Pädagoginnen setzten das Stopp-Schild nur sehr sparsam ein, was dessen Wirkung verstärkte. Auch wurde der Anlass und die Stopp-Schild-Zeit mit dem Kind besprochen.

Seit ich Marte Meo in der Gruppe einsetzte, geriet das Stopp-Schild fast in Vergessenheit, bis ich eines morgens die Gruppe betrat und die Kinder mir schon aufgeregt berichteten, dass die kleine Mimi ein Stopp-Schild bekommen hatte, weil sie im Rollenspielbereich nicht eingeräumt hatte.

Mimi ist ein zweieinhalbjähriges, durchsetzungskräftiges "Hexerl", dass mit Geschick und Cleverness so manches 5-jährige in die Tasche steckt (und das übt sie täglich bei ihrem Papa). 

Ideenreiches und überschwängliches Spielen führt bei ihr oft zu unüberschaubarem Chaos in diversen Spielbereichen oder am Basteltisch. Dieses Chaos überfordert nicht nur sie selbst, sondern auch die Betreuerinnen, wenn es ans Einräumen geht. Da das mehrmalige Erinnern keinen Erfolg zeigte, erinnerte sich die Betreuerin an das Stopp-Schild.

Das Stopp-Schild zeigte seine Wirkung und Mimi informierte Mama und Papa gleich von dem Ereignis und bemühte sich in der nächsten Woche beim Einräumen und Mithelfen, worauf sie ihr Zeichen von der Betreuerin förmlich wieder zurück bekam.

Die Wirkung und Bequemlichkeit dieser Sanktion verbreitete sich schnell unter den Betreuerinnen und so wurde das Stopp-Schild nun immer häufiger frequentiert. Als ich einmal die Magnetzeichen der Kinder suchte, fand ich gleich 3 oder 4 am Türstock wieder. Das Stopp-Schild begann bereits seine gefürchtete Aura zu verlieren und wurde von den Kindern kaum mehr besprochen. Irgendwann bekam man es ja doch wieder zurück und man sparte sich zumindest einmal das Einräumen.

Als die Betreuerin angesichts des Chaos - einer vermeintlichen Hausdurchsuchung - in Rollenspielbereich drei jungen Kindern ein Stopp-Schild verpassen wollte, machte ich ihr bewusst, dass die Kinder durch die Sanktion und das Verbot das Einräumen eigentlich nicht lernen. (Was sie dabei lernen ist, dass sie es eigentlich nicht können, es nicht geschafft haben. Es macht ihnen ihre Unzulänglichkeit bewusst und lenkt ihren Fokus auf ihr Versagen und das Negative.) Was wir aber hier in der Gruppe möchten ist, dass die Kinder einräumen KÖNNEN und auch gerne tun. Da stimmte sie mir zu. Das heißt wir müssen sie unterstützen, dass sie es schaffen und sie erleben lassen, dass sie es können und dass sie beim Einräumen Spaß haben. Das ist die nachhaltigere Strategie.

Das tat sie dann auch: Sie begleitete die Kinder geduldig beim Aufräumen und freute sich mit ihnen, als sie es geschafft hatten. (Wie? siehe Geschichte: "Positiv leiten")

 

 

Und das Stopp-Schild hatte wieder Urlaub.